26 Jahre als Hausarzt in Hinwil
Am 1.1.1994 habe ich die Praxis von meinem Vorgänger übernommen, Hansueli Honegger.
Der damaligen Arbeitsmoral entsprechend fand er es eine gute Idee mich gleich um Mitternacht an Sylvester mit Notfalldienst beginnen zu lassen…
Der Verhaltenskodex war ohnehin noch anders: jeder war immer für seine Patienten selbst verantwortlich. Die Praxen waren auch Samstags und Donnerstags offen. Bis 18 Uhr hatten wir normal Patienten eingeschrieben, dann kamen die Notfälle dran, oft bis 19 oder 20 Uhr, dann der Bürokram, oft bis 22 Uhr.
Notfalldienst hatten wir mindestens 1x/Woche, weiter ca. jedes 6. Wochenende, womit man dann zusammen mit dem Freitag oder Montag, den man als fixen Tag ohnehin auch Dienst hatte, problemlos von Samstagmorgen bis Dienstagmorgen durchgehend Dienst haben konnte, 3 Tage und 3 Nächte am Stück. Nach diesem Dienst hat niemand frei genommen, sondern normal in der Praxis weitergearbeitet. Die Patienten haben natürlich immer einen ausgeschlafenen, fitten und geduldigen Arzt erwartet. Durften sie auch. Haben wir versucht so oft wie möglich zu sein.
Nach etwa einem Jahr sah mich mal eine Patientin auf einem Spaziergang und meinte ich sehe sehr müde und schlecht aus – womit sie natürlich Recht hatte. Und wonach in mein Arbeitspensum langsam an meine Möglichkeiten angepasst habe.
Einen Computer hatte mein Vorgänger noch nicht, rechnete von Hand ab. Wir schafften den ersten an, rein zum Abrechnen. Meine junge Arztgehilfin Monika Schwyter hatte somit einen, ich nicht. Ein Schwarz-Weiss-Laserdrucker kostete etwa 4000 SFr., damals ein Vermögen, heute 60 SFr.-.
Handys gab es auch noch nicht. Beim Notfalldienst war man ohne Telefon auf Hausbesuch und hat der Ehefrau vom Hausbesuch aus angerufen und gefragt, wo man als nächstes hinmüsse. Nach paar Jahren kamen die ersten tragbaren Handys. Die Batterie hielt 4 Stunden. Der erste Sendemast stand im Betzholz und erreichte die Dürntnerstrasse nur zeitweise. Mein Wohnort war nicht abgedeckt. Es dauerte Jahre bis man zumindest auf 90% der Hausbesuche abgedeckt war.
Beim Kauf meines ersten Ultraschallgeräts sagte mir der Verkäufer erstaunlich unmotiviert, dass ich das Gerät ja nur zur Bestimmung des Restharns nach dem Wasserlösen werde brauchen können. Wie wenig visionär für einen Verkäufer. Heute gibt es fast nichts mehr das wir nicht mit Ultraschall anschauen können, auch Knochenbrüche und Lungenentzündungen, woran damals niemand auch nur im Entferntesten dachte.
So hat sich unglaublich viel verändert in den letzten 25 Jahren, und es ist schwer sich auszumalen wie eine Praxis in weiteren 25 Jahren aussehen wird. Noch viel mehr wird Elektronik in Diagnostik und Therapie eingebunden sein. Was diese aber nie wird ersetzen können, das ist die persönliche Beziehung zwischen Patient und Arzt, die einem die Gewissheit gibt, dass man jemanden an seiner Seite hat, der mitdenkt, mitfühlt und hilft auch in schwierigen Zeiten einen Weg zu finden.